Otto Dix: "Mortem"
Geschrieben von Andreas Torneberg   
Sonntag, 21. April 2013

Bei Otto Dix gibt's keine Freizeit, keinen Urlaub und kein Nachlassen der kreativen Energie und des unablässigen Arbeitseifers. Entweder werden im Studio neue Lieder komponiert und eingespielt oder Sänger Draw schreibt und veröffentlicht einen seiner bizarren Cyberspace-Romane oder man befindet sich auf Tour. Und was diese Touren an Live-Performance in sich bergen, zeigen die neuen Videos, wo mit Kostümierungen von Barock anlässlich kammermusikalischer, akustischer Darbietungen bis zum Cyber-Ritter und aufwendigen Lasershows gearbeitet wird.
Trotz dieses Fleißes stoßen sie nach wie vor im Westen auf wenig Akzeptanz und mit ihrem neuen Werk "Mortem" tut die Band nichts, um westlichem Publikumsgeschmack entgegenzukommen, im Gegenteil: Nie zuvor haben Otto Dix so östlich, so orientalisch und asiatisch geklungen.

Gesungen wird natürlich nach wie vor auf Russisch. Und um es den Westlern noch schwerer zu machen, wird das neue Album bisher nicht diesseits des östlich-westlichen Äquators, der die Mentalitäten trennt, angeboten. Somit enthält das Booklet auch keine Übersetzungen der russischen Texte, in denen es sich - so auf Nachfrage Michael Draw - um die verschiedenen Gesichter und Typen des Todes dreht: den Tod von Ländern und Persönlichkeiten, von Seelen und Körpern sowie den Tod der Menschlichkeit im Allgemeinen.

Ein Lied macht dabei die Ausnahme, "Pangea Ultima", schon gegen Ende der Platte - ein sehr ruhiges und melancholisch schönes Stück. Draw sagt dazu, er hätte dieses während einer Reise durch Süddeutschland im November geschrieben. Er hatte eine bestimmte Person nicht treffen können und er sah traurig hinaus aus dem Fenster des abfahrenden Busses - überall draußen war dichter Nebel, der die Landschaft und die Straße einhüllte. In dieser Stimmung schrieb er das Lied, dieser Person gewidmet.

Auch ansonsten ist die neue Platte deutlich ruhiger als die vorangegangenen Produktionen und vermeidet glücklicherweise gänzlich frühere hektische Ausflüge in die Bereiche von Industrial. Das erste Lied "Abe" knüpft noch da an, wo man Otto Dix verlassen hatte: elektronischer, melodiöser "Electro Goth Wave" - auf nervösem Drum-Programming modelliert der Gesang von Draw seine Skulpturen des Wohlklangs. Doch im weiteren Verlauf machen schon die diversen sakralen Mönch-artigen Einlagen deutlich, dass die Entwicklung weiter gegangen ist; eine spannende Reise durch vermehrt spirituell gefärbte Szenarien. Draw hat an seiner Sangeskunst gefeilt. Kannten wir seine Stimme bisher nur als Countertenor, die in hohen Tonlagen schwebte, zieht er auf dieser Platte auch bewusst die tiefen Register - so tief eben ein Countertenor reichen kann. Das macht seine Vokalparts erheblich vielseitiger als früher, wenngleich sein Hang zur operesk gedehnten Elegie in jedem Lied zum Tragen kommt.

Alles ist von Reminiszenzen an frühere 80er Jahre Synthesizer-Tonbereiche eingefärbt, die Komponist Marie Slip an den Keyboards bewusst eingesetzt hat. Weniger zum Tragen kommt die elektrische Violine von Peter Voronov und wenn, dann zumeist so verändert, dass sie mehr einer verzerrten E-Gitarre ähnelt als einem Streichinstrument. Wer Otto Dix bisher nicht mochte, wird sie jetzt noch weniger mögen. Wer bereit ist, weiter zu reisen durch die orientalischen Anmutungen vom Titelsong "Mortem" bis in fremdartig elektronische Randbereiche Ost-Russlands und dann auch wieder zurück im vorletzten Lied "Ars longa, vita brevis" in eine Art Soundtrack französischen film noirs - der hat auch hier wieder viel zu entdecken. Alles sehr russisch, manches hart am Kurs Ost-Nordost_Kitschig-Schön.

Tracklist:
01. Аве
02. Мортэм
03. В Горе И Радости
04. 1453
05. Карфаген
06. Кровь Моя
07. Кто Как Бог
08. Огонь Небесный
09. Страна Туманов
10. Я Хочу
11. Гуттаперчевый Мальчик
12. Прошлое
13. Последняя Пангея

Otto Dix @ LabelLos.de
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