04.01.07 KOLUMNE: 9mm Mittagspausenphilosophie - Teil 10
Geschrieben von Genom   
Donnerstag, 4. Januar 2007

Eiland 3

Es ist so still geworden,
kaum noch einer, der sich zu mir gesellt
und mit mir zusammen in die Weiten des Meeres hinaus blickt.
Keiner noch, der ein Geräusch von sich gibt.
Die Stille wird nur unterbrochen durch das Rauschen des Meeres.
Und ferner sinnt der Seemann nimmer.
Sein Weibe ist hinausgezogen,
doch nicht zu Boote, nein, zu Fuß.
Wohl hat sie das Meer gerufen.
Mich ruft es nimmer mehr,
diese blaue Braut hat ihre Zunge schon zu oft
an meiner Kehle gewetzt, und wollt mich immer halten und
mit ihrer Liebe ertränken.

Es ist kalt, hier an der Brandung,
und täglich schwemmt es Neues an,
Holz und Tod und auch Gebrechen.
Und nun? Nun fällt hier der Schnee.
Vom Himmel her kam aufs Eiland noch nichts Gutes.
Wir werden sehen wie es wird.
Und dichter wird der Flusenregen,
immer mehr und mehr bedeckt sich das
karge Land mit einer weißen Decke.
Weiß, in dem das Blute von den Weiden
noch mehr heraus zu stechen scheint.
Und der Himmel, mit bloßem Auge nicht vom Horizont
zu unterscheiden sei, wären da nicht noch die alten Bäume,
die den weißen Regen auffangen.
Aus den wenigen Dächern steigt der Qualm der Kamine und Öfen
und immer wieder und weiter fällt der Schnee zu Boden.
Auch die Ruinen und des Landmannes Schloss sind schon
über und über bedeckt mit weißem Schein.
Doch zieht der Frost auch in die Ställe.
Und der Wanderer der vorigen Tag losgezogen war,
heut nicht angekommen ist im Wirtshaus.
Es bleibt ein jeder einmal auf der Strecke.
Und Tag um Tag wächst der Boden zum Himmel.
Bis zum Wendepunkt, wenn das Meer sich seine
verlassenen Gewässer zurück geholt.
Und Fluss um Fluss, die Rinnen speisen.
Und all die weiße Kinderfreud’,
erst im nächsten Jahr zurückgekehrt.
Und neu beginnt der frostige Tod.

Genom

Kommentar(e)

Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melde dich an oder registriere dich.

Powered by AkoComment 2.0!

Letzte Aktualisierung ( Freitag, 26. Januar 2007 )