Force Attack Festival 2010 - 30.07.-01.08.2010 - Klingendorf
Geschrieben von Moon   
Freitag, 3. September 2010
Unterwegs im bunten Norden - das Force Attack 2010
 

Moon und Herr Lehmann unterwegs in Sachen Punkrock! Da es ja bekanntermaßen zig Einflüsse von Punk in die schwarze Szene gibt (nicht nur was Klamotten angeht), dachten wir uns: warum nicht mal einen Festivalbericht von DEM Punk-Festival überhaupt - dem Force Attack. Seit nunmehr 14 Jahren stehen nahe Rostock alle Zeichen auf Bunt. Dieses Jahr fand das Festival zum zweiten Mal in Klingendorf statt... welchen großen Unterschied das zur alten Location macht kann ich (Moon) allerdings nicht sagen (Mein erster und einziger Besuch des Force am alten Austragungsort in Behnkenhagen liegt nach wie vor in blauem Nebel...). Vorab sei vielleicht noch erwähnt, dass Herr Lehmann und ich heutzutage zwar auch noch Punk hören, allerdings eher die älteren Sachen. Wir kannten also bei weitem nicht jede Band und hatten (und haben) auch nicht den Anspruch, über jede Band im Einzelnen zu berichten, sondern vielmehr vom Festival im Ganzen... wie ganz normale Besucher eben.

 
Freitag
 

Tag 1 startete etwas holprig - sowohl bei uns als auch bei der Festivalcrew. Laut Hören-Sagen hatte Imre (der Veranstalter) noch gegen diverse organisatorische Widrigkeiten zu kämpfen. Naja, und wir kämpften gegen die Zeit, um noch rechtzeitig zu Die Zusamm-Rottung da zu sein. Leider hat das nicht mehr ganz geklappt: gehört haben wir sie noch, aber nicht mehr gesehen. Dennoch war allein das Gehörte super! Die Band besteht seit nunmehr 22 Jahren, allerdings mit Unterbrechung. 1996 löste sich Die Zusamm-Rottung auf, 2009 gab's dann die Reunion. Bekannt geworden sind sie vor allem durch ihre ersten beiden Scheiben "Jetzt erst recht" und "Im Reich der wilden Tiere" - echte Deutschpunk-Klassiker. Und natürlich spielten sie auch die alten Songs in bekannter Manier.

Nach dieser traurigen Begebenheit schlugen wir erstmal unser Lager auf und mixten die ersten 1,5 Liter "Festivalspaß" - man will ja nicht durstig bleiben! Danach auf zum Konzertgelände, dafür waren wir schließlich hier. Eine Neuheit in diesem Jahr waren die kostenlosen Spültoiletten auf dem Konzertgelände - da hat doch mal jemand mitgedacht!
Vorne angekommen spielten gerade
Towerblocks aus Berlin auf der Hauptbühne, englischsprachiger Oi-Punk, der eigentlich ganz passabel klang. Raue Gitarren, sarkastische Texte und zur Abwechslung mal keine Klischees. Die Bands wechselten immer zwischen Haupt- und Zeltbühne im Dreiviertel- bzw. Stundentakt. Weiter ging es mit Dubtari auf der Zeltbühne, gefolgt von Die Kassierer auf der Hauptbühne. Dubtari (Reggae-Ska) haben wir nur nebenbei mitbekommen, da sowohl Herr Lehmann als auch ich völlig unerwartet auf alte Freunde getroffen sind, die wir seit zehn oder zwölf Jahren nicht mehr gesehen haben! Tja, das Force führt einen eben wieder zusammen. Bei den Kassierern waren wir aber wieder an der Bühne. Sänger Wölfi startete bereits vollends entblößt und gut gelaunt. Für alle, die diese Band nicht kennen: schön anzusehen ist das nicht, aber irgendwie unterhaltsam und bei Kassierer-Konzerten völlig normal. Klassiker wie "Sex mit dem Sozialarbeiter" und "Mach die Titten frei..." brachten die Schunkel- Punks ordentlich in Bewegung.

Während
Peter Pan Speed Rock auf der Zeltbühne niederländischen Hardrock zu Besten gaben, mixten wir uns die zweite Flasche Durststiller und warteten auf Die Skeptiker, die auf der Hauptbühne spielen sollten. Auch wenn ich Sänger Eugen optisch kaum wieder erkannt hätte, musikalisch war es richtig geil und mit Songs wie "Straßenkampf" und "Dada in Berlin" tobte die Menge. 1986 in Ostberlin gegründet, ist heute nur noch Sänger Eugen von der einstigen Formation dabei. Zum Glück, denn ohne seine unverkennbare Stimme und die ausgefeilten Lyrics, die sie von den meisten anderen Punkbands unterscheiden, wären Die Skeptiker nur eine Band unter vielen. Auch wenn es wie bei den meisten alten Bands eine mehrjährige Trennungspause gab, ist es schön zu wissen, dass sie sich nicht auf ihren alten Erfolgen ausruht, sondern weiterhin an neuen Songs arbeiten.

BAD CO. Project, das Solo-Projekt von Oxymoron-Sänger Sucker, ging leider wegen akuter Trunkenheit an uns vorbei. Aber ich schaffte es immerhin wieder zu Dritte Wahl! vorne zu sein. Diese Band hat mich vor zig Jahren extrem geprägt, bis sie dann einige Alben raus gebracht haben, die ich dann nicht mehr so toll fand. Naja, und der letzte Auftritt, den ich dann von Dritte Wahl! vor circa sieben Jahren gesehen habe, war mehr als schlecht. Umso besser waren sie aber diesen Abend drauf, leider natürlich ohne Bassist Busch'n, der 2005 an Krebs gestorben ist.

 
Samstag
 

Tag 2 verlangte zunächst nach einem ganz starken Kaffee, bevor wir uns wieder vor die Bühne gesellten. Die Bands, die vor 44 Leningrad spielten, konnte man sich zwar anhören, waren unserer Meinung nach aber eher mittelmäßig. Lustig wurde es 15.45 Uhr als dann 44 Leningrad auf die Bühne traten. Die sechs Potsdamer Bandmitglieder spielen eine Mischung aus russischer Folklore, Polka, Punk und Ska - absolut tanzbar! Passend dazu spielte danach die Hannoveraner Ska-Band Wisecräcker.

Pöbel und Gesocks, auch wenn sie bekannt sind, wollten wir uns nicht antun, also nutzten wir die Zeit zum Grillen. Wieder gestärkt zurück vor der Bühne, spielten gerade S.I.K. - die 1991 gegründete Band ist vor allem durch ihre zahlreichen Beiträge auf diversen Samplern bekannt und beschäftigt sich hauptsächlich mit alltäglichen und politischen Themen... sehr angenehm, wenn man sich mal die ganzen vertonten Klischeeparolen anderer Bands anhört.

KrawallBrüder wirkten auf der Bühne dagegen etwas deplatziert (vor allem wenn man den großen Tourbus von den KrawallBrüdern mit ihren Ebenbildern gesehen hat... irgendwie passte das nicht zusammen). Auch Popperklopper waren musikalisch eher mittelprächtig, dafür wurde es bei den Lokalmatadoren wieder lustig. OHL waren anschließend auf der Zeltbühne eher schlecht. Weiter ging es dann mit Discharge auf der Hauptbühne und richtig fetzigem Ska bei der italienischen Band Talco auf der Zeltbühne. Für mich die Überraschung des Abends!

Um 0:15 Uhr stieg dann eine, ja eigentlich kann man schon sagen "Instanz" auf die Bühne:
The Exploited. Seit 1980 existent und seit dem auch immer wieder im Kreuzfeuer von Kritikern und Fans. Nicht nur die angeblich faschistische Grundhaltung von Sänger Buchan, sondern auch dessen angebliche Freundschaft mit Ian Stuart, dem Sänger der Naziband Skrewdriver (die er allerdings immer bestritt) lassen die Band sehr umstritten dastehen. Entsprechend lief das Konzert mehr als merkwürdig ab: das gesamte Konzertareal war voll mit Zuschauern, doch den Applaus hätten 30 Mann nicht weniger schlecht hingekriegt. Schon nach den ersten Liedern flogen Böller und Glasflaschen auf die Bühne - das sorgte verständlicherweise bei der Band nicht gerade für gute Stimmung. Aber mal ehrlich, wieso sollte eine "so böse Fascho-Band" auf dem Force vor lauter Punx spielen? Vielleicht weil Gerüchte mehr Müll als Wahrheit enthalten? Naja, dennoch zogen The Exploited das Konzert professionell durch. Ich fand sie live besser als erwartet, Herrn Lehmann war's zu langsam. Nun ja, auch die werden alt. Zum Abschluss des Abends gab's dann noch mal Ska vom Feinsten bei der französischen Band Skarface.

 
Sonntag
 

Tag 3: Regen zum Frühstück. Aber hey, was ist ein Festival ohne Regen?! Da es bis zu den ersten Konzerten noch lange hin war, beschlossen wir ins Dorf zu spazieren und uns in der "Food Factory" (die örtliche Pizzeria) bei Chef Jürgen das erste 5.0 zur Einstimmung des Tages zu genehmigen. Jürgen wirkte wesentlich entspannter als im letzten Jahr und plauderte aus dem Nähkästchen. Demnach gab es wohl letztes Jahr mächtig Panik bei den Dorfbewohnern (angetrieben durch die Kirche - wer hätte das gedacht), dass nach der "Invasion" der Bunthaarigen die örtliche Jugend versaut und das Dorf in Trümmern läge. Die Anwohner sammelten sogar Unterschriften und die Gemeinde verabschiedete schnell eine Vergnügungssteuersatzung. 20 Prozent vom Ticketverkauf sollte Veranstalter Imre Sonnevend zahlen. Der zog vor Gericht und bekam kurz vor dem Festival Recht. Endgültig ausgestanden ist das Thema aber wohl noch nicht. Noch eine Info am Rande: wen es mal nach Kavelsdorf verschlagen sollte, der sollte unbedingt bei Jürgen eine Pizza "Mexicana City" bestellen. Die ist zwar schmerzhaft scharf aber extrem lecker!

Gestärkt und mit Wegbier ging es dann zurück zum Festival zu einem Konzert, dem wir beide eher skeptisch gegenüberstanden. Auf dem Programm standen
Caféspione, eine Schleim-Keim-Coverband. Wer damit nix anfangen kann: Schleim-Keim zählt mit zu den bekanntesten Ost-Punkbands und zu den wenigen, die die Wende überlebt haben, aber aufgrund von diversen hinderlichen Umständen (Bandauflösung, Mord, Tod usw.) seit 1996 nicht mehr existieren. Wie dem auch sei, der erste Song erklang und die Jungs verstanden ihr Handwerk und setzten Schleim-Keim ein Denkmal! Zwar spielten sie die Stücke schneller als die Originale, aber einfach spitze. Sänger Kayser gab alles, das Publikum gab alles, es war einfach geil und der gesamte Bereich der Zeltbühne pogte, was das Zeug hielt. Nicht nur das Publikum war glücklich, auch Kayser und die restlichen Jungs der Caféspione kullerten zwar völlig erschöpft, aber total happy, von der Bühne. Und im Gegensatz zu den Krawallbrüdern, die protzig mit Tourbus angereist kamen, spielten Caféspione für Spritgeld, Frühstück und Spaß... das gibt einem doch zu denken, oder?
Der Rest des Nachmittags ging in heftigen Regen und Bands die - zusammengefasst - schnellen Krach spielten, unter. Den Abend ließen dann die Schotten
Oi Polloi, die Argentinier Argies und die Berliner Humppa-Band Die Wallerts mit Tanzmusik ausklingen. In der Nacht wurde noch zünftig gefeiert und diverse Zelte dem Feuer übergeben - warum sollte man die vollgesauten Teile auch wieder mit nach Hause schleppen...

Fazit:
Wer Punk und Ska mag und gerne alt eingesessene Bands neben neueren und Newcomern sehen und hören will, sollte sich das
Force nicht entgehen lassen. Es ist günstig, das Bier ist billig und die Ostsee in greifbarer Nähe. Wer allerdings komfortverwöhnt und ein Sauberkeitsfanatiker ist und nur eine geringe Ekelgrenze besitzt, sollte sich vielleicht zur Einstimmung auf YouTube ein paar Videos anschauen und erst dann entscheiden, ob er die drei Tage durchsteht.

Uns hat's gefallen, wenn auch die Bandauswahl letztes Jahr mehr unseren Geschmack getroffen hat. Wir sind gespannt, wen Imre nächstes Jahr auf die Bühne zaubert...

Zu den Festivalfotos...

 
Force Attack Website
Force Attack @ myspace
 

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