Alien Sex Fiend - 22.09.2010 - "Knust", Hamburg
Geschrieben von Andreas Torneberg   
Dienstag, 28. September 2010

In unverwesteter Morbidität celebrierten Mr. und Mrs. Fiend, Meister des manischen Techno-Punk, die Reize des Paranormalen. Fauchend. Exzentrisch. Theatralisch. Kreischend, singend, sich windend. Selbstironisch. Jedenfalls biegen sich hier seit Jahrzehnten die Zeiger auf bizarr.

Vorneweg hatten die Gothics aus England junge Kollegen aus Frankreich dazu gebeten: Die Industrial-Punk-Goth Band
Dexy Corp_. Unter den Kulissen von ASF angereichert mit einigen selbst mitgebrachten Souvenirstücken, entwickelten sie ihre elektronische Aggressivität. Auf Platte mag das Rezept schneidend scharfer Tanzelektronik aufgehen, live wirkte das Konzept nach kurzer Zeit monoton. Die Stimme schrie deformiert in den Mikrofonverzerrer. Seltsam, wenn zeitweise ein fetter Sound ertönt, aber man die Gitarristen gar nicht spielen sieht. Nun gut, ein wenig Retorte kann ja mal vorkommen, die Show wurde freundlich aufgenommen, einer rief: "Spielt doch mal was von den Stones!" Die Aktion war schmerzfrei, unspektakulär und schon vergessen.

Das "Knust" war fett mit einer schwarzen Masse Dunkelvolk gefüllt. Anfangs konnte man - sich dem Club von außen nähernd - schon komplette Überfüllung argwöhnen; der Platz davor war brechend voll. Doch nein, da zeigte man auf Großbild die Übertragung eines Fußballspiels. Die Hamburger Gruftifraktion schlängelte sich da durch und zum Hintereingang, weil auch der vordere Teil, die Bar, auf Fußball geschaltet war. An berüchtigten Orten - zu öde als sie durch etwas anderes als isoliert stehende Symbolfiguren zu kennzeichnen - vorbei.

Alien Sex Fiend - too techno to be goth, too goth to be sane. Ein alter Spruch, hier in Mutation zitiert, charakterisiert das, was Ehepaar Fiend seit Jahrzehnten praktiziert: Nur Liebe und Humor können vor geistigem Durchdrehen bewahren. Und Musik. Wie sich herausstellte, war den anwesenden Fans diese mindestens genauso gut vertraut wie den Darbietenden selbst, denn man begann bei einzelnen Lieder schon während der ersten Klänge zu singen, so dass Nik Fiend nichts anderes übrige blieb, als sozusagen wie beim Kanon mit seinem Vokalpart darin einzusteigen. Dazwischen brachen Chöre aus mit "Mrs.Fiend, Mrs.Fiend!" um die hinter ihren Keyboards und Elektronikteilen versteckte Soundtüftlerin zu feiern. Natürlich wurde auch mal "Mr.Fiend, Mr.Fiend" gefeiert, was die Nosferatu-adaptierte, batcavedeformierte Gestalt dazu brachte, begeistert seine zwei erogenen Zonen zu massieren.

 

Das Ehepaar erfreute mit den bekannten schrägen Klängen, die immer tanzbarer und technolastiger wurden, je weiter der Abend voranschritt, und am Ende zu einem rabiaten Pogo innerhalb des Publikums führten. Die Highlights der seit Jahrhunderten zur Allgemeinbildung zählenden Stationen wurden beschworen; da seien für Insider erwähnt die große Gummibanane, die Mülltonendurchwühlung, die Zeitung, der Rattensnack. Aber die beiden waren nicht die einzigen Krachmacher. Im Hintergrund hielt sich noch ein weiteres Wesen auf, ein zombiehaftes Urgestein menschgewordener Rockgitarre in endlosem psychedelischem Delirium, welches mit den elektronischen Phantasien von Frau Fiend verschmolz und als akustisches Halluzinogen wirkte.

Nach über zwei Stunden Fiendshow schleppte der Schreiber dieser Zeilen sein menschenähnliches Knochengebälk aus Mangel an postmitternächtlich nicht vorgesehenem Nahverkehr per pedes durch den Hamburger Hafen zurück in die heimische Gruft, vorbei an aggressiven Horden blutsaugerischer Kaninchen und einem glühend roten Mond, der hinter den Spiralnebeln industrieller Gasverpestung die Werwölfe zu geiferndem Heulen aufstachelte, was wie das Quietschen der Seilwinden an den Verladekränen klang.

Zu den Konzertfotos...

 
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Dexy Corp_ @ myspace
 

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