Scofferlane: "Veto"
Geschrieben von Andreas Torneberg   
Freitag, 20. Januar 2012
 

Man greift beim Hören dieser CD zunächst in die Etage des düsteren 80er Jahre Clubsound, welcher original in britischen Töpfen siedete, denkt sich, die Stimme, der Sound klingen wie... Peter Murphy oder doch eher wie Nick Cave oder, nein, hier vielleicht wie Jim Morrison... und rät auf allen Spuren daneben.

Statt aus London oder Australien, kommen
Scofferlane aus Moskau. Alles klingt so echt nach Underground und besitzt diese nostalgische Mischung aus versunkener Depression, die sich in psychedelischem Unterhaltungswert umsetzt, versetzt mit experimentellen Avantgarde-Allüren, die der Mischung die tremolierende Dosis Nervenrhythmik hinzusetzt, dass man es nicht glauben möchte: der musikalische Commonwealth hat sich bis Russland ausgebreitet!

     

Technisch ist das Quartett sagenhaft aufgestellt - von sensibel gespielten, jazzig-besinnlichen Songs à la And Also The Trees, in denen selbst einzeln gezupften Saiten ihre Zeit und ihr Raum geschenkt wird, bis zum punkigen Abholzen haben die Jungs die ganze Palette bestückt. Atmosphärisch dicht und schlüssig bis hin zum Zucken eines Zombies bei Rockabilly, intensiv und bei aller Perfektion spontan. Eine Schublade reicht da nicht aus, hier braucht man die ganze Kommode, um das Vokabular und die Fundamente dieser Band einzufassen.

Doch was wäre all dies ohne eine entsprechende Stimme - und diese wird von Sänger Matt aka Stuart Stumpman geradezu gewaltig präsentiert. Vom schlaksigen Überschlagen eines falsettigen Punkgesangs bis zur gefühlvoll gebrochenen Ballade macht der Mann alles, was er zu fassen kriegt. Er würde auch mit Country einen amerikanischen Trucker ins Delirium transportieren, wenn es sein müsste. Mit dieser Stimme und diesem Talent liegt einem alles zu Füßen.

Diese unterschiedlichen Einflüsse und der Vorrat an technischem und kompositorischem Talent hätte nun auch die Gefahr bergen können, sich heillos in einem Durcheinander aus
Siouxsie bis Bauhaus zu verirren und in den Elementen von The Doors über Joy Division bis zur schnoddrigen Lässigkeit von Morphine sich haltlos assoziativ zu verlieren. Eine fette Ladung Blues ebenso wie die Melodien harmonischer, düsterer Balladentheatralik werden dermaßen gut verinnerlicht dargeboten, dass die Platte eine ungewöhnliche Komplexität entwickelt und brutal stark dasteht. Rhythmisch morbide Tanzeinlagen bilden eine Emulsion mit halluzinogenen Traumgespinsten.

So tolle Musik, so reif, so herausragend - aber dabei wie die perfekte Interpretation von britisch-amerikanischen Vorbildern. Die Ohren, die Sinne, das Gehirn der Band scheinen angefüllt mit den Impressionen einer teils vergangenen, sehr westlichen Musikepoche. Die Band ist allerdings viel zu gut, um nachzuahmen. Aber könnte sie noch besser werden, indem sie auch die Wurzeln ihrer eigenen Kultur mit ins Schaffen hinein fließen lassen würde? Ein wenig mehr russische Seele... Oder sind wir schon so international geworden, dass Musik keine regionalen Einflüsse mehr kennt?

Tracklist:
01. She Fell
02. What Do You Propose
03. I Awoke
04. Veto
05. Single Finger
06. On Predators
07. Rubber Arms
08. So Pretty
09. Home
10. Ode
11. Last Chance Rope
12. Harish
13. All Because Of Us

     
Scofferlane @ LabelLos.de
Scofferlane @ myspace
     

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Letzte Aktualisierung ( Freitag, 20. Januar 2012 )