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08.11.06 KOLUMNE: 9mm Mittagspausenphilosophie - Teil 2: Eine Anekdote
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Geschrieben von Genom   
Mittwoch, 8. November 2006

Erfurt - Weimar - Erfurt

Gestern saß ich mit meinem Kumpel und meiner Freundin bei mir zuhause und wir rätselten, wie wir auf die Party kommen sollten, die ca. eine dreiviertel Stunde von unserem Wohnort weg war. Es hatten sich diesmal mehrere Leute aus unserem Freundeskreis angemeldet, dass sie gern mit möchten; leider gab es nur ein Auto. Mit der Gewissheit, dass wir keinen Fahrer mehr ausfindig machen würden, quartierten wir uns mit einer Flasche Wodka bei mir zuhause ein, bis plötzlich die rettende Idee kam: ein Kumpel von mir (von dem man nur selten was hört, weil er sehr beschäftigt ist)! Also Telefon raus, angerufen, kurzes hin und her. Mit dem Spruch „da gibt es viele hübsche Mädels“ war er sofort überzeugt. Es ist also immer gut sich auf den männlichen Sexualtrieb zu berufen, das klappt immer. Gesagt getan. Zu viert saßen wir nun mit einem Kasten Bier unterwegs zur Party. Partys sind immer das größte, wenn es denn gute sind. Denn wer kennt das nicht... schlechtes Ambiente, schlecht gelaunte Gäste, und man ist einfach nicht auf dem Pegel, um gute Laune zu haben, oder schon weit darüber und man lässt sich die Getränkekarte der Lokalität noch mal lautstark durch den Kopf gehen. Partys in einem Auto sind da schon vorteilhafter, man ist mobil und kann von einer Action zur nächsten pendeln. Ich sage dazu, dass diese Party kein Roadmovie geworden ist.

Ganz im Gegensatz zu meinem letzten Rammstein Konzert im Februar vergangenen Jahres.
Ein Freund kam schon am Vorabend des Konzerts mit dem Zug zu mir gefahren, damit wir vormittags mit dem Zug losfahren konnten. Nun ja, wie es sich in der Früh nach alkoholisch angehauchten Abenden anfühlt, weiß jeder…

Nun mehr den Weg zum Bus gefunden, um zum Bahnhof zu gelangen, saßen wir auch schon drin. Am Ziel-Bahnhof angekommen, sahen wir gerade unseren Zug davon fahren. Der Rucksack war voller Spezialitäten (ich will hier nicht alles aufzählen, sagen wir einfach: genug Alkohol, um uns beide über einen harten sibirischen Winter zu bringen). Wir waren gut bewaffnet und gingen in ein Café, das ich schon von klein auf kenne. Mit einem entsetzten Suchen nach dem Aschenbecher, griff mein Kumpel der Begrüßung der Kellnerin vor und kam gleich zum Wesentlichen: „Gibt’s hier denn kein Aschenbecher?“. Die Kellnerin kurz körperlich pausierend, aber geistig wohl hart am überlegen, wie eine alter Commodore bei einer einfachen Addition, antwortete dann mit: „Nein hier ist rauchfrei, jedoch haben wir exzellente Torten im Angebot.“. Mein Kumpel darauf: „Davon kann isch mir och nüscht koofen.“. Die Stimmung der Kellnerin sank. Nun ja, wir am Kaffee trinken und Eisbecher essen, es war mittlerweile Mittagszeit, als ich feststellte, dass ich meinen zweiten Kaffee drinne hatte (ich hatte zu der Zeit sehr hohen Blutdruck und zwei Tassen Kaffee hatten auf mein Befinden die selbe Wirkung, wie 15 Flaschen Bier). Ich war am Ende.

Dann endlich im Zug sitzend, nach zwei Stunden Aufenthalt in diesem Café, mit dieser Kellnerin, deren Gesicht real in der Kniekehle hing, ihr Lächeln jedoch der Freundlichkeit halber bis hinter beide Ohren getackert war. Nun ja, endlich in Erfurt angekommen (8 Flaschen Bier und einige Kurze später), standen wir am Bahnhof in Erfurt, in dem wir nach dem Konzert eigentlich die Nacht verbringen wollten... Baustelle, keine Wand, kein geschlossener Raum, verdammt!

Als wir dann endlich wussten, mit welcher Straßenbahn wir fahren mussten, saßen wir auch prompt drinnen. Wieder einige Bier und ein dichtes Gedränge später, befanden wir uns in der dritten Reihe auf dem Konzert, genau mittig.

Bis dahin, ein normaler Verlauf eines Konzertabends.

Dann, nach dem Konzert: Brand! Gute Musik macht Stimme heißer. Wir also in eine der überfüllten Straßenbahnen in Richtung Anger. Am Anger stiegen wir aus und rannten in den nächsten Fastfood-Tempel. „Drei Apfelschorle.“ - Mein Kumpel: „drei???“ - „Ja, eine für dich und zwei für mich.“ Dann ab zum Bahnhof. Auf dem Bahnhofsgelände holten wir unsere Rucksäcke aus einem Schließfach. Nun schauten wir, ob denn nicht doch noch irgendwas fahren würde: ein ICE nach Naumburg, dort wohnt mein Kumpel. „Naja, nehmen wir halt den.“ Wir warteten am Gleis, als ein Bahnangestellter vorbei kam und meinte, hier fahre kein Zug mehr. Wir waren perplex. Am Plan noch einmal nachprüfend, stellten wir fest, dass ein kleines Sternchen an der Tour angebracht war. Verdammt!

Dann kam ein Moment, der den Abend unvergesslich machte.

Der Bahnangestellte sagte (das weiß ich noch ganz genau): „Von hier aus fährt kein Zug mehr, aber der Zug dort drüben fährt nach Weimar. Von dort aus habt ihr eine bessere Chance, noch einen Anschlusszug zu bekommen.“ Darauf mein Kumpel zu mir:

„Irgendwas müssen wir tun.“

Und dieser Satz verfolgt mich heute noch in meinen Träumen.

Wir saßen dann im Zug nach Weimar. Der Automat wollte unser Geld nicht, was auch gut so war, denn wir hatten nur noch wenig Geld dabei. In Weimar angekommen stellten wir fest, was wir falsch gemacht hatten: Weimar ist um 1.00 Uhr morgens stiller als ein abgebrannter Friedhof. Und bevor wir eine Überlegung machen konnten, war der Anschlusszug nach Göschwitz weg. Der hätte uns eh nichts genützt. Aber das allerschlimmste war, dass unser Bier alle war. Mein Kumpel wieder:

„Irgendwas müssen wir tun.“

Also fragten wir einen Taxifahrer nach ein paar Kneipen und mussten dann beim Aufsuchen dieser feststellen, dass diese, einige Minuten vor unserem Aufschlag in dieser Geisterstadt, geschlossen hatten. Also wieder den Taxifahrer belästigt und gefragt wo denn hier eine Tankstelle sei? Der Beschreibung folgend, kamen wir dann an zwei hintereinander liegende Tankstellen. An der einen tranken wir ein Kaffee gegen die Kälte (und es war verdammt kalt), an der anderen füllten wir unseren Bierbestand wieder auf. Dann saßen wir eine halbe Stunde vor dem Bahnhof in der Kälte. Mein Kumpel wieder:

„Irgendwas müssen wir tun.“.

Wir also wieder zum Taxifahrer, der schon sichtlich entnervt war. Wir fragten nach einem McDonalds oder dergleichen. Der Taxifahrer sagte dann nur: "Ja, ca. ne viertel stunde von hier gibt es einen, aber der hat jetzt schon zu.“. Unsere Stimmung sank tiefer als unser Blutgehalt im Alkohol… ! Dann fügte er nach einer minimalen Pause den Satz an: „Aber der in Erfurt dürfte noch offen sein.“. Mein Kumpel:

„Irgendwas müssen wir tun.“

Ich zum Kutscher: „Nach Erfurt bitte.“ Nach dem Aushandeln eines Festpreises - vielmehr das Bitten, das wenige Geld, was wir noch hatten, zu akzeptieren - kamen wir wieder in Erfurt an. Am Bahnhof ließ er uns raus. Das kam mir alles so bekannt vor… Mein Kumpel hingegen griff erst einmal in seine Tasche und zog zwei Bier heraus.

Wir schlenderten also die menschenleere Straße entlang, Richtung Anger. Dort angekommen, standen wir nun vor McDonalds… geschlossen. Schräg rüber, die Konkurrenz... auch geschlossen. Mein Kumpel fing nun laut an zu lachen und sagte: „Das kann doch nicht sein, hahaha, ich komm` nie wieder nach Thüringen, hahaha, das Bundesland hat doch was gegen mich, hahaha, ich geb` mir ab sofort selber Thüringenverbot.“

Einige Minuten später beruhigte er sich dann wieder und sein theatralisches Benehmen wurde wieder zu seinem grundlegend entspannten Gemüt. Wir entschlossen uns dann zur Sparkasse zu gehen, die ja schließlich gleich um die Ecke war, um Geld abzuheben. Karte rein, Geld raus - so die Theorie. Die Praxis hingegen war: Karte rein, kein Geld raus, stattdessen die Meldung „Ihre Bank ist im Moment nicht erreichbar.“. Ich setzte mich also in die Ecke der Spaßkasse, während mein Kumpel vier Automaten ca. eine halbe Stunde lang mit der selben Prozedur belästigte: Karte rein, Gefluche, Karte raus, Karte rein…usw. Sehr ausdauernd eben. Dann setzte er sich mir gegenüber, ca. 2m weg von mir, begann zu grinsen und sagte: „Da sitzte nun, wie'n Landstreicher!“

Und er hatte recht. Da saß ich nun, mit meinem kurzen, aufgestellten, schwarzen Iro, meinem Schal und meiner Armee-Jacke, die kaputten Springerstiefel nicht zu vergessen, neben mir mein Hab und Gut. Wir lachten. Dann stand er auf, ging noch einmal an den Automaten, und schrie: „Ich hab Geld!!!“. Ich erhob mich - tatsächlich - und hob auch welches ab.

Wir sahen einen LKW vor einem Bäckerladen und wollten den Fahrer fragen, ob wir ihm ein paar Brötchen abkaufen könnten. Er musterte uns von oben nach unten und sagte nur: „Ich bin nur Spediteur“ und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Somit konnten wir noch einmal gemütlich die Straße hinunter, Richtung Bahnhof, mit knurrenden Magen schlendern. Der Zug meines Kumpels stand schon abfahrbereit da. Wir verabschiedeten uns. Er fuhr direkt wieder nach Naumburg, ich musste noch warten, bis mein Zug bereit war. Dann stieg ich ein, und freute mich auf mein Bett.

Was ich damit sagen will, ist [Denkpause]: Egal, wie es kommt, es ist schön, immer einen guten Freund an seiner Seite zu haben.

Genom

Kommentar(e)
Geschrieben von s.pü am 2006-11-08 15:37:47
Sehr schöne Kolumne, sehr toll geschrieben! Aber das weißt du ja : ) 
*kuss*
Geschrieben von preacher_man am 2006-11-08 19:32:26
Hehe, das kenn' ich. Das sind eindeutig Geschichten, die das Leben schrieb! Und, wenn man den Autor kennt, weiß man auch genau, dass es sich so und nicht anders zugetragen haben muss. Schöne Story! :grin
Geschrieben von FILOUkai am 2006-11-08 22:36:34
Ach mein Bester, ich hab selten so gelacht wie heute!!! Danke das du mir den stressigen Tag noch so versüßt hast.... 
 
"Der Kumpel"
Geschrieben von Stefan am 2006-11-12 16:51:59
Tja was soll ich dazu noch sagen...es war ein sehr erlebnisreicher, wunderschöner und unvergesslicher Abend! 
Thüringen werde ich in naher Zukunft wieder einmal besuchen kommen. :)  
Also Chris...bis zum nächsten mal Erfurt-Weimar-Erfurt !!!

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